8 Fragen und Antworten zu „Smart City“

Auf Initiative der Arbeitsgruppe Zukunft im Gemeinderat haben die Experten der Technischen Universität (Sibylla Zech, Thomas Dillinger, Markus Neuhaus) zu wichtige Fragen im Zusammenhang mit unserer “Smart City Ebreichsdorf” Initiative verständliche Antworten ausgearbeitet. Bei Rückfragen stehen die Mitglieder der Arbeitsgruppe Zukunft gerne zur Verfügung. (Kontakt: heinrich.humer@ebreichsdorf.at)



1) Welchen Vorteil hat „Smart City“ für die Bevölkerung und die Stadtgemeinde Ebreichsdorf?

Smart City berücksichtigt die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung in der Stadtentwicklung.

Unter „Smart“ versteht man nicht nur die Einbindung von neuen, ressourcenschonenden Technologien und Methoden in der Stadtentwicklung. Viel mehr zeichnet sich die „intelligente Stadt“ dadurch aus, dass die Bevölkerung in den Entwicklungsprozess der Stadt aktiv mit einbezogen wird. Mittels Partizipationsveranstaltungen, wie z.B. der Zukunftswerkstatt während des Sondierungsprojekts SMCE, sollen spezifisches Wissen und subjektive Empfindungen aus der ansässigen Bevölkerung gewonnen werden. Denn die Bewohnerinnen und Bewohner einer Stadt sind zugleich die Expertinnen und Experten vor Ort.



2) Wieso braucht es so ein umfangreiches Projekt, um den neuen Bahnhof städtebaulich zu erschließen?

Um eine geordnete Entwicklung zu gewährleisten, ist eine fundierte Planung mit Weitsicht erforderlich (Masterplan).

Das Gebiet um den neuen Bahnhof zwischen Ebreichs- dorf und Unterwaltersdorf hat mit ca. 108 ha eine immense Größe – das entspricht ca. 150 Fußballfeldern. Die koordinierte Entwicklung einer solch großen Fläche übersteigt die normale, alltägliche Planungsaufgabe einer Stadtgemeinde. Zudem kann und soll eine solche Fläche nicht auf einmal erschlossen werden, sondern schrittweise in Abschnitten. Hierfür braucht es jedoch einen gesamtheitlichen städtebaulich-freiraumplanerischer Masterplan. Die Einbindung der Ideen, Wünsche und Befürchtungen der Bevölkerung in den Planungs- und Entwurfsprozess spielen eine große Rolle.



3) Was beinhaltet ein städtebaulich-freiraumplanerischer Masterplan?

Der Masterplan zeigt auf, wie sich Ebreichsdorf im Bereich um den neuen Bahnhof entwickeln soll.

Der städtebaulich-freiraumplanerische Masterplan zeigt auf, wie sich Ebreichsdorf und im Besonderen der Bereich um den neuen Bahnhof schrittweise in den nächsten 15-20 Jahren gesamtheitlich entwickeln soll.
Es ist somit ein konkreter Bebauungsvorschlag. Der Plan beinhaltet zum einen städtebauliche Aussagen - also zur Bebauungsart, Widmung, Bebauungsdichte, Anordnung der Straßenzüge, soziale Infrastruktur wie Schulen, Ärztezentren etc. - zum anderen werden wichtige Grünräume und Grünzüge definiert, die maßgeblich für die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner in Ebreichsdorf sind.
Es entsteht am Ende ein gemeinsam erarbeiteter Entwurf, wie das Gebiet um den neuen Bahnhof entwickelt wer- den soll. Langfristiges Ziel ist der Beschluss eines neuen Flächenwidmungs- und Bebauungsplans auf Basis des gemeinsam erarbeiteten Masterplans.



4) Warum sollte um den neuen Bahnhof ein neues Siedlungsgebiet entstehen?

Als bedeutender Verkehrsknotenpunkt wird der Bahnhof zum Zentrum werden.

Mit dem Ausbau der Pottendorfer Linie gewinnt der neue Bahnhof für die Gemeinde, aber auch für die Region, an Bedeutung. Er ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, über den man schnell nach Wien und Wiener Neustadt gelangt. Der Bahnhof wird daher ein stark besuchter Ort sein und kann das „Zentrum“ eines neuen Stadtteils bilden. Aus raumplanerischer und ökologischer Sicht ist es sehr vorteilhaft, das direkte Bahnhofsumfeld zu bebauen, denn:

  • es ergeben sich kurze Wege zum öffentlichen Verkehr,
  • eine Nutzung des Autos wäre teilweise überflüssig,
  • Geschäftslokale am Bahnhof hätten eine hohe Kundenfrequenz,
  • durch den Bau von beispielsweise Gewerbe direkt an der Bahntrasse können Lärmemissionen für alle Ortsteile minimiert werden,
  • soziale Infrastrukturen (z.B. Schule, Kindergarten, Ärztezentrum, Vereine) in Bahnhofsnähe wären gut erschlossen und leicht erreichbar,
  • ein schrittweises Zusammenwachsen der Ortsteile Ebreichsdorf und Unterwaltersdorf wäre möglich





5) Sind neue Siedlungsgebiete in Ebreichsdorf überhaupt notwendig?

Ja, weil für die Region um Wien ein starkes Bevölkerungswachstum zu erwarten ist.

Bis zum Jahr 2030 sagen Prognosen ein starkes Bevölkerungswachstum von 15% im Vergleich zum Jahr 2016 voraus, dies sind 1.450 neue Einwohnerinnen und Ein- wohner1. Der neue Bahnhof und die bessere Anbindung Ebreichsdorfs an Wien und die Region werden diesen Trend zudem verstärken. Neue Siedlungsgebiete sind daher auch in Zukunft nötig. Allerdings gilt es, diese geordnet und gemeinsam zu planen, um „Wildwuchs“ und Zersiedelung zu vermeiden, Flächen zu sparen und zu schonen und das Stadtbild zu wahren.



6) Was bedeutet Zersiedelung und warum wird diese als negativ angesehen? Zersiedelung bedeutet eine ungeordnete und teure Bebauung mit umweltzerstörenden Folgen.



Im Allgemeinen versteht man darunter die Errichtung von Gebäuden außerhalb von zusammenhängenden Ortsteilen, welche sehr dünn besiedelt sind und einen unstrukturierten Charakter aufweisen. Durch ihre abgelegene Lage in einem unbebauten Raum sind die Einwohner stark vom Individualverkehr abhängig. Diese Siedlungen entstanden bzw. entstehen überwiegend durch eine ungeordnete Umwidmung von Ackerflächen zu Bauflächen für beispielsweise Einfamilienhäuser oder touristische Zwecke, meist an abgelegenen Ortsrändern.
Die negativen Folgen der Zersiedelung sind vor allem

  • hoher Flächenverbrauch durch das Wachstum von Siedlungsbereichen in die unbebaute Fläche, unter anderem durch Einfamilienhäuser und für die Erschließung der peripheren Gebiete mit Straßen,
  • die Abhängigkeit vom Individualverkehr, da für einen funktionierenden öffentlichen Verkehr eine höhere Bevölkerungsdichte erforderlich ist,
  • erhöhte Luftverschmutzung durch längere Fahrtzeiten und
  • erhöhte Kosten für die Gemeinde durch den Bau und Erhalt der technischen Infrastruktur (Straßen, Kanalisation, Strom, Müllentsorgung etc.).


7) Wird durch weitere Bebauungen zusätzlicher wertvoller Boden verbraucht, wie etwa Agrarflächen?

Flächen werden verbraucht, aber nur durch eine geordnete und flächensparende Bebauung können wertvolle Agrarflächen geschützt werden.

Bodenverbrauch und Bodenversiegelung zählen europaweit zu den großen umweltpolitischen Herausforderungen. Daher ist das Ziel der koordinierten ganzheitlichen Raumplanung, die Flächeninanspruchnahme weiter zu verringern. Hierbei gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Bis zu einem gewissen Grad kann dies durch Nachverdichtung geschehen, also z.B. den Neubau eines Mehrfamilienhauses an Stelle eines Einfamilienhauses. Weiters können unbebaute, bereits als Bauland gewidmete Flächen im Ortskern aktiviert werden. Dies ist jedoch stark abhängig von der Bereitschaft der Grundbesitzer und gestaltet sich für die Gemeinde daher oft schwer. Die Neuwidmung von Bauland ist daher ein sehr beliebtes Mittel, um neuen Wohnraum und Arbeitsplätze zu schaffen. Durch eine gesamtheitliche und geordnete Planung kann die Inanspruchnahme jedoch optimiert werden, sodass der Flächenverbrauch reduziert wird. So kann durch eine zentrumsnahe dichtere Bebauung - z.B. Reihenhäuser anstatt freistehende Einfamilienhäuser sowie die Eindämmung der Zersiedelung - der Flächenverbrauch massiv gesenkt und in weiterer Folge wertvoller (Acker-)Boden geschont werden. Im Zusammenhang mit der Neuwidmung von Bauland ist auch die Vertragsraumordnung ein sehr gutes Mittel, um den Flächenverbrauch zu reduzieren. Durch den Abschluss von Verträgen zwischen Grundeigentümer und Gemeinde kann sichergestellt werden, dass das neugewidmete Bauland auch bis zu einem gewissen Zeitpunkt bebaut wird.



8) Kann durch unterschiedliche Bauformen Fläche gespart werden?

Herkömmliche Bauformen benötigen im Vergleich zu Neuen bis zu 10-Mal mehr Fläche.

Der Flächenverbrauch unterschiedlicher Bebauungsarten hängt sehr stark von der Dichte der Bebauung ab. Am einfachsten lässt sich dies an einem Beispiel zeigen, indem man von einem durchschnittlichen Grundstück für ein Einfamilienhaus von 600 m² und einer durchschnittlichen Wohnfläche von 45 m² pro Person (2) (österreichischer Mittelwert) ausgeht. Bei unterschiedlichen Bebauungstypologien ergeben sich daher folgende Schätzwerte, die jedoch stark von der tatsächlichen und konkreten Art der Bebauung abhängt.



Bebauungsart Einwohner/ Grundstück Einwohner/ Hektar Flächenverbrauch/ Einwohner
Freistehendes Einfamilienhaus mit privaten Garten 3 50 200 m²
Doppelhaushälfte mit privaten Garten 5 100 120 m²
Reihenhaus 2-Geschoßig mit privaten Garten7,5 150 80 m²
Mehrfamilienhaus 2-Geschossig mit privatem und öffentlichen Grünraum 13 215 46 m²
Geschoßwohnungsbau, Mehrfamilienhaus 3-4-Geschoßig mit öff. Grünraum 18 300 33 m²
Geschlossene Blockbebauung 4-Geschoßig mit öff. Grünraum 20 330 30 m²

Tabelle: Schätzwerte zu unterschiedlichen Bebauungsarten (Quelle: eigene Berechnung, vgl. hierzu Zwischenwasser (2017)3 und Stadtentwicklung Berlin (2012)4)


1 ÖROK-Atlas (2017): Prognose Bevölkerungsveränderung 2014-2030; www.oerok-atlas.at/#indicator/65
2 Statistik Austria (2017), de.statista.com/statistik/daten/studie/512938/umfrage/wohnflaeche-pro-person-in-hauptwohnsitz-wohnungen-in-oesterreich/
3 Zwischenwasser (2017), zwischenwasser.vorortideenwerkstatt.at/fileadmin/user_upload/nonconform/zwischenwasser/REL/REL_ Zwischenwasser_Langfassung_Teil_2.pdf
4 Stadtentwicklung Berlin (2012) www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/umweltatlas/d609_04.htm